Wortlaut eines Briefes von Martin Luther an den Prediger

Luther an Joh. Gülden, Pfarrer in Weida


Wittenberg, 29. Mai 1526 Gratiam et pacem in Domino! Raelatum est mihi de te, mi Ionnes, quam verbum tractes paulo severius, et rogatus sum te hortari. Si itaque pateris, rogo, ut ea, quae sunt seria, doceas primo loco, hoc est, ut fidem et charitatem urgeas. Nam his non radicatis, quod est, quod gubernetis et faciatis. Noli eos contemneare, qui nescis, quales forte Age igitur cum tuis symmystis, ut unanimi corde et ritu omnia titillemus absque fructu, ne dicam cum iactura gl oriae Die et verbi. stultioris vulgi animos levitate et cupiditate novarum rerem instabiles in stultis ceremoniis vexandis laboremus? Quibis nihil fit, nise quod futuri sint, sed placide eos invita, et cum humilitate, non urgens et iactans, quam recta tu moveas et moliaris. Cognoscentur haec postea absude: Nihil vivificabitur, nisi prisu Wittembergiae, feria 3. Post Trinitatis 1526 mortificabitur. Hanc meam admonitionem boni consule ac vale!

T. Martinus Luther


Martin Luther

Übersetzung aus dem Lateinischen: (sinngemäß)


Gnade und Friede im Herrn! Berichtet ist mir von Dir, mein Johannes, dass Du harte Worte gebrauchst und ich bin gebeten, Dich zu ermahnen. Und so bitte ich Dich väterlich wie die, welche besorgt sind, dass Du das Wesentliche an erster Stelle lehrst, das heißt, dass Du den Glauben und die Liebe vor allem treibst. Wenn diese nicht Wurzel haben, was hat es dann für Zweck, dass wir uns abmühen gegen die Quelle törichter Zeremonien? Dadurch kitzeln wir nur die Herzen der törichten Menge ohne Furcht zu ernten, ja zur Verminderung der Ehre Gottes und seines Wortes. Handle also mit Deinen Amtsbrüdern, dass Ihr alles in einem Herzen und nach einem Brauch einrichtet und handelt. Verachte die nicht, von denen Du nicht weißt, was sie vielleicht in Zukunft noch werden, sondern sanftmütig und demütig ermuntere sie, ohne darauf zu brennen und damit zu prahlen, wie Du nur das Richtige schaffst und unternimmst. Hinterher erkennt man es reichlich: Nichts wird lebendig, wenn es nicht zuvor erstirbt. Überlege diese Mahnung zum Guten und lebe Wohl! Wittenberg, 3. Feiertag nach Trinitatis

Dein Martinus Luther

 

 


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